Nachspiel zum #Toilettengate

Blumenthal

Max Blumenthal

Zur Affäre Blumenthal/Sheen/Gysi gibt es nun ein interessantes, wenn nicht gar amüsantes Nachspiel.
Die ehrwürdige New York Times, eigentlich als eher recht israelfreundlich bekannt, hat nämlich ein Verbrechen begangen: sie hat nicht dem über Blumenthal und Sheen von den Zionisten verhängten Bann gehorcht und einen kleinen Artikel von Max Blumenthal veröffentlicht.

Was die streng zionistische New Yorker „The Algemeiner“ am 08. Dezember zu einer Beschwerdetirade veranlasste: damit, dass sie einen Artikel von Max Blumenthal veröffentlicht habe, habe die New York Times eine rote Linie überschritten (mal wieder rote Linie. Als ob die Zionisten für andere Leute rote Linien festlegen könnten).
Es ist nicht der einzige Beschwerdeartikel von dieser Seite.

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„Gregor, komm raus aus dem Scheißhaus, du bist erwachsen!“

Zunächst nennt The Allgemeiner die Toilettenszene einen „versuchten gewaltsamen Anschlag auf Gysi“. Oha. Das sieht doch wieder mal danach aus, dass Einer behauptet, die Gedanken eines Menschen besser zu kennen, als dieser selbst. „Zu Dionys, dem Tyrannen schlich Damun, den Dolch im Gewande…“ – dem Antizionisten ist eben alles zuzutrauen.
Die üblichen Beschimpfungen dürfen als Garnitur dieser Diffamierung natürlich auch nicht fehlen: Max Blumenthal sei ein „antisemitischer Propagandist“ und die New York Times habe die Untat begangen, ihm durch Aufnahme seines Artikels die Möglichkeit zu geben, seine „besudelte Reputation“ zu retten.

Es ist symptomatisch, dass The Algemeiner auf Rabbi Abraham Cooper vom berüchtigten Simon Wiesenthal Center verweist, eben das, dem der ebenso berüchtigte Henryk M. Broder so gerne zuarbeitet und das als Ergebnis lächerlicherweise Jakob Augstein auf seine Liste der 10 gefährlichsten Antisemiten setzte. Gemeinsam übrigens mit Max Blumenthal, was die Sache doch ganz erheblich relativiert. Cooper begrüßt eine Diskussion über das neue Gesetzesvorhaben, Israel zu einem jüdischen Staat zu erklären mit auf Tora und Talmud basierenden Gesetzen. Aber da dürften nur manche mit diskutieren, keine Leute wie Blumenthal, der die Zionisten für Rassisten hält.

Das kennen wir. Es gibt ja auch in Deutschland Leute zur Genüge, die verkünden, selbstverständlich dürfe man Israel kritisieren und das sei sogar erwünscht. Nur darf das eben nicht jeder, sondern nur jemand, der den Zionismus nicht kritisiert.

Ebenso wohl bekannt ist die von Zionisten gern geübte Sippenhaft, diesmal die echte Sippe in Form seines Vaters, des GoliathClinton-Beraters Sidney Blumenthal. Der besaß doch tatsächlich die Frechheit, eine Party zur Vorstellung des Buches seines Sohnes zu schmeißen!
The Algemeiner macht allerdings noch eine neue Dimension dieser Sippenhaft auf: Max Blumenthal habe sich nämlich mit den beiden berüchtigten US-Neonazis Dave Duke und Frasier Glenn Cross zusammen geschlossen. Begründung: die beiden hätten ihn lobend erwähnt. Da kann man ja für die Zionisten nur hoffen, die beiden kommen nicht auf die Idee sich mal dahingehend zu äußern, dass Netanyahu die Haare schön habe. Dem müssten unweigerlich Rücktritt und Staatskrise folgen. Wer sich über den Tenor dieses ‚Lobes‘ unterrichten will, kann dies hier tun: er „respektiere Blumenthal mehr als weiße christliche Zionisten“ und „Jude Max Blumenthal hat was Gutes über Palin zu sagen„, nämlich, dass sie Verbindungen zur Theorie der überlegenen weißen Rasse (White Supremacy) habe. Eine Theorie, die nicht nur Blumenthal und das nicht zu Unrecht mit der nationalreligiösen zionistischen Theorie der angeblichen Überlegenheit des jüdischen Volkes (?) vergleicht.

Kleine Perfidie am Rande: erwähnt wird auch, dass Frasier derzeit unter Mordanklage steht. Man darf dann phantasieren, was Blumenthal mit seinem „versuchten gewaltsamen Anschlag“ vorgehabt haben mag. Ja, diese Zionistenpropaganda ist eine ziemlich dreckige Angelegenheit, was aber wohl nur der vorbehaltlos unterschreibt, der sie täglich erlebt, denn man kann sich nicht alles denken. Und je mehr Israels Politik international unter Beschuss kommt, um so dreckiger wird sie.

P.S.: wer sich von Max Blumenthals journalistischen Qualitäten überzeugen möchte, sollte sich die Mühe machen, diesen langen und kenntnisreichen Artikel auf der renommierten Alternet (nicht zu verwechseln mit dem rechtsradikalen Altermedia) zu lesen. Er enthält eine Menge kluger Analysen zu geschichtlich begründeten deutschen Spezialitäten.

2 Kommentare

  1. Zugegeben, auch ausgemachte Kritiker der israelischen Regierung, etwa MJ Rosenberg, stehen Leuten wie Max Blumenthal nicht unkritisch gegenüber. In einer Sphäre wie dem Internet, wo starke Meinungen bzw. stark vorgetragene Meinungen das Salz in der virtuellen Suppe darstellen, ist Max Blumenthal bestens aufgehoben. Wo es aber darauf ankommt, vermittelnd einzugreifen, d.h. Positionen zu formulieren, gemäß welcher Palästinenser mehr sind als nur Opfer und israelische Juden nicht nur „Judeo-Nazis“(Leibovitz, nicht Blumenthal), wo es also darauf ankäme, Perspektiven aufzuzeigen, die sowohl für Palästinenser als auch für israelische Juden von Interesse sein könnten, wird es für Blumenthal schwer. Und für Phil Weiss. Und für Abunimah. Und auch, so muss ich gestehen, für Mondoprinte…
    Auch wenn der Nahostfriedensprozess sich letztlich als ein Szenario dargestellt hat, wie er für Palästinenser nicht orwellianischer oder kafkaesker sein könnte – es gab mal eine Zeit, da wurden vermittelnde Stimmen nicht so überhört…

    • otlapinnow

      Wir haben mit Israel das Problem, insbesondere in Deutschland, dass die Legende die Tatsachen überdeckt. Das war ja schon seit Gründung der Fall, als es hieß, da gäbe es ein Volk ohne Land für ein Land ohne Volk. Beides ist Unsinn.

      Jede Vermittlung ist sinnlos, die die Legenden weiter spinnt, statt die Tatsachen auf den Tisch zu bringen. Darum haben sich Blumenthal und Sheen verdient gemacht. Sie sind keine politischen Vermittler, sie sind Journalisten, die Tatsachen um die Ohren hauen, die viele nicht hören wollen. Sie sind Legendenzerstörer und genau das wird gebraucht.

      Wahrheit schadet nie. Sie hätte auch der Linkspartei nicht geschadet. Wem sie nicht passt oder wer sie für einseitig hält, der muss eben jemanden in die Veranstaltung setzen, der dagegen redet. So sind die demokratischen Regeln.

      Aber auch Sie sitzen hier m.E. einer der üblichen Legenden auf: Sie reden von „den israelischen Juden“. Das ist eine von Zionisten geschaffene und von den Rechtsradikalen massiv verstärkte Legende, die besagt, dass in Bezug auf Zionismus und Israel alle Juden quasi als biologische Eigenschaft, als Gefühl, das Gleiche denken. Was auf Faschismus hinaus läuft. Denn eine politische Meinung als naturgegeben anzusehen, dem logisch zwingend folgt, dass der, der sie nicht teilt, entartet sei, gehört zum Kern faschistischen Denkens.
      Erst, wenn man diesen Gedanken aus seinem Hirn verbannt, erkennt man die Tatsachen: die israelische Gesellschaft ist im Begriff, von Rechtsradikalen, von Faschisten übernommen zu werden – vielleicht ist sie es schon, das werden die Wahlen zeigen.
      Es gibt ohne jeden Zweifel Judeo-Nazis. Teilweise bekennen sie sich sogar selbst dazu. Es gibt Israelis die meinen, Hitler habe eigentlich ganz richtig gelegen, er habe sich nur an das falsche Volk gehalten. Und diese Judeo-Nazis (ich bevorzuge den Ausdruck „Zionazis“) haben Einfluss auf die israelische Politik, auf Denken und Handeln der Gesellschaft. Um den zu gewinnen, müssen Faschisten keine Mehrheit haben. Die hatten auch die Nazis in Deutschland nie.
      Die israelische Propaganda bezieht grundsätzlich alles, was gegen einzelne Phänomene in der israelischen Gesellschaft gesagt wird, nicht nur auf alle Israelis, sondern gleich auf alle Juden. Das ist geradezu bösartig. Doch dagegen stehen beispielhaft für viele andere Blumenthal und Sheen durch ihre pure Existenz: sie sind Juden, aber eindeutig keine Faschisten. Auf solche Beweise, dass eine Aussage falsch ist, reagieren Faschisten überall gleich: in Ordnung ist ihre Welt eigentlich nur wieder, wenn man diese Beweise vernichtet.

      Was also könnte für alle israelischen Juden von Interesse sein?
      Die Zionazis denken, wie viele Fundamentalisten, eingeschlossen IS, messianisch: in der größten Not wird der Deus ex Machina kommen. Danach zu handeln endet nach ersten Erfolgen üblicherweise in einer Katastrophe und die ist mit Sicherheit nicht im Interesse der israelischen Juden.
      Aber das war der II. Weltkrieg für die Deutschen auch nicht. Brachte sie das dazu, sich zu wehren?

      Ich glaube nicht, dass unter den gegenwärtigen Umständen eine Vermittlung möglich ist.

      Das einzige, was eine gewisse Wirkung versprechen könnte ist, allen Israelis die Tatsachen schonungslos vor den Kopf zu knallen. Wozu auch der Boykott (BDS) gehört als wirkliche Konsequenz von inakzeptablem Handeln. Die Wirklichkeit selbst muss die israelische Gesellschaft dazu zwingen, sie zu begreifen. Faschisten sind immer nur eine Minderheit. Sie nieder zu ringen ist zuvörderst Aufgabe, Pflicht und Verantwortung der Mehrheit, auch in Israel.

      Das ist von der israelischen Gesellschaft einzufordern.

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